Im weitesten Sinne erwarten den Leser dieser Novelle über tote Katzen und traurige Mädchen eine sehr phantasievoll und aus der Sicht eines Pubertierenden geschriebene Detektiv- bzw. Liebesgeschichte. Die Pubertät sind seltsame Jahre. Mein Sohn kann sich an keine seiner wilden Geschichten aus diesem Lebensabschnitt erinnern. Und ich bekomme aus der meinigen ebenfalls keine klaren Erinnerungsstücke zusammen. Philipp Multhaupt lässt seinen Helden Jan diese turbulente Zeit im Leben eines Menschen schildern. Die Unlogik der Empfindungen. Wie Eltern zu unverstandenen und nichtverstehenden befremdlichen Wesen verschwimmen, mit denen eh nicht geredet werden kann, weil sie die Welt der Heranwachsenden sowieso nicht verstehen. Heimliches Lesen alter Detektivromane befördert Jans Phantasie. Erste romantische Sehnsüchte nach Mädchen keimen auf. Die Wachträume, in welchen man als Held oder Prinz eine Angebetete in seine Arme nimmt, um sie vor dem Übel der Welt zu beschützen. Nicht lachen. Wer meint, er wäre während seiner Pubertät bei klarem Verstand gewesen, hat diese wahrscheinlich gleichermaßen vergessen, wie mein jetzt sehr erwachsener Sohn. Der erwachsene Leser sollte versuchen, sich in Jan hineinzuversetzen. Dieser kann mit seinen desinteressierten Eltern unmöglich über Gefühle und Befindlichkeiten reden. Und nun hat Jan auch noch seine Traumprinzessin auserkoren: es muss ein trauriges Mädchen sein. Dieses entdeckt er tatsächlich im Klassenraum auf der letzten Bank. Wie bereits erwähnt: Dieses Buch ist auch eine Liebesgeschichte.
Jan fotografiert gern. Allerdings weiß das niemand. Auch nicht der Eigentümer der analogen Kamera. Und aus einem unlogischen Grund heraus präsentieren sich tote Katzen an den verschiedensten Ort seinem Fotoapparat. Das große Mysterium erlebt Jan, als er den entwickelten Film vom Fotoladen abholt: Die Aufnahmen zeigen keine Katzen. Zur Steigerung des Geheimnisses ist das Abbild eines alten Grammophons an jener Stelle, an der sich eine persönlich bekannte, vormals lebende Katz steif und tot befinden sollte. Klingt verschroben? Ist verschroben. Es ist eine sehr emotionale Welt, in welche ich Jan begleiten durfte. Voller Phantasie, voller Unsicherheit, voller Träume. Ich begegnete Claudia, dem traurigen Mädchen, ihren schemenhaften Eltern, einer Nachbarin, einem Onkel. Reale Figuren in einer ebensolchen Welt durch die Augen eines 14-jährigen gesehen. Eine komplizierte Sache ist das schon mit der Realität und der eigenen Wahrnehmung. Während der Lektüre fühlte ich mit. Es ist nur ein winziger Ausschnitt. Eltern und anderen Erwachsenen möchte ich diesen ans Herz legen. Zwar werden wir Pubertierende nie so richtig verstehen, aber haben wir doch Geduld und gönnen wir ihnen doch einfach die Zeit, erwachsen zu werden.
Der Klappentext:
„Jan ist vierzehn-oder-so und liest gern Detektivromane. Unbeachtet von seinen Eltern streift er mit einer Kamera, die er vom Dachboden seines Onkels gestohlen hat, durch seine kleine Stadt und fotografiert tote Katzen. Nebenbei wünscht er sich eine schrecklich traurige Freundin. Als er eines Mittwochs im Erdkundeunterricht Claudias Blick begegnet, scheint sein Wunsch endlich in Erfüllung zu gehen…
Eine hinreißende Geschichte voll philosophischer Weisheiten über die Liebe, den Zauber mutiger Tage und die Unsicherheit junger Menschen in einer Welt voller
gleichgültiger Erwachsener.“
Ein unterhaltsames Buch. Irgendwie zwischen traurig, spannend, seltsam und ein wenig amüsant. Vor allem ist es aber eine vage Erinnerung an eine verdammt schwierige Zeit im Leben.
Softcover, 142 Seiten, 19 x 13,5 cm, Edition Drachenfliege
ISBN: 978-3-95996-013-7