Teho Teardo & Blixa Bargeld – Nerissimo

Wer das Werden und Schaffen von Blixa Bargeld seit Anfang der 80er Jahre kontinuierlich im Blick hatte, dem kann ich nichts Neues erzählen. Aber für jene „Nachkömmlinge“, welche die eingemauerte Zeit Westberlins und den Kalten Krieg nicht erlebt haben, seien ein paar kurze Worte erlaubt: Bekannt wurde Blixa Bargeld durch das experimentelle Klanggemisch – aus Punk, Industrial und NDW – der „Einstürzenden Neubauten“. Nach dem ersten, 1981 erschienenen Album „Kollaps“ hat die Formation eine sukzessive Entwicklung durchgemacht. Geblieben ist die Vorliebe für schräge Töne, die teilweise zweckentfremdeten Alltagsgegenständen entlockt werden. Doch Blixa Bargelds Schaffen beschränkt sich nicht auf die „Einstürzenden Neubauten“. So beteiligte sich der umtriebige Künstler ferner an verschiedenen Theater- und Filmprojekten oder spielte zusammen mit Nick Cave. Aktuell arbeitet er mit Teho Teardo zusammen. Der italienische Musiker und Komponisten kreierte u. a. die Filmmusik für verschiedene Werke der Regisseure Paolo Sorrentino, Guido Chiesa und Gabriele Salvatores.

Nach dem vor drei Jahren veröffentlichten Debüt folgt nun der zweite Streich des Duos mit dem Titel „Nerissimo“, was so viel bedeutet wie dunkelschwarz. Dieser Superlativ steht für ziemlich düstere und sehr melodische Klanglandschaften mit zeitkritischen Texten. Düster im Sinne von nachdenklich und zurückhaltend. Die Stücke des Albums beinhalten viele Facetten. So wie schwarz auch nur der dunkelste Farbton aller Farben ist.

Das vom Gemälde „Die Gesandten“ inspirierte Artwork des Albums hat einen konkreten Bezug auf die Themen dieser Veröffentlichung. Referenzen zur Philosophie, Religion, Sterblichkeit und Illusion zeigen sich auch im Werk von Hans Hohlbein dem Jüngeren. Insbesondere die deutschsprachigen Texte stellen sich als besonders eindringlich dar. Es handelt sich scheinbar um Episoden aus Geschichten, um Seiten in einem Buch, die man wahllos aufschlägt. Mittendrin und doch rätselhaft. Vielschichtig deutbar und ein Kribbeln unter der Haut auslösend.

Doch nicht nur die Texte bewegen sich in der Dunkelheit. Auch die Musikinstrumente erklingen in erster Linie im Bass- und Baritonbereich. Gitarre, Klarinette, Glocken, andere Streichinstrumente erzeugen eine wie durch Nebelschwaden gedämpfte Abendstimmung. Häufig perlen die Töne nur sparsam, verklingen langsam. Im Moment, wenn man den einzelnen Tönen nachhängt, fühlt man sich verloren und allein. Die Stimme von Blixa Bargeld klingt versammelt, dunkel, weich. Mitnehmend.

„Nerissimo“ ist ein besonderes Erlebnis. Die Musik dient nicht der einfachen Unterhaltung. Mehr als das ist sie eine Einladung, die Tür zu einer inneren Welt zu betreten. Heftiges rhythmisches Kopfnicken oder Stampfen mit den Füßen kommt dem Hörer nicht in den Sinn. Allerhöchstens ein sanftes Wiegen begleitet die schwermütigen Klänge. Vielmehr lauscht man erstarrt und vergisst die Zeit, weil man in ihr verschwindet. Beim dritten Stück „Ich bin dabei“ ankommend war ich längst vollkommen in einer Traumzeit versunken.

Wer ein Faible für tiefe Gefühle und klassische Musikelemente hat, sollte diesen zehn Stücken seine Aufmerksamkeit schenken.

Titelliste:
1. Nerissimo
2. DHX2
3. Ich bin dabei
4. The Empty Boat
5. The Beast
6. Animelle
7. Ulgæ
8. Nirgendheim
9. Give Me
10. Nerissimo (Italian)

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