White Lies – Ritual

2008 kam die Band „White Lies“ scheinbar aus dem Nichts. Mit ihrem Debütalbum stürmten sie an die Spitze der britischen Verkaufslisten. Auch im Ausland wurden die drei Musiker viel beachtet. Die Erwartungshaltung für das nun erschienene Nachfolgewerk „Ritual“ war somit hoch. Sehr hoch. Doch man hat es sich nicht einfach gemacht und – wie man hätte vermuten können – einzig an das Erfolgsrezept des ersten Albums gehalten. Elektronische Klänge haben die Gitarren etwas in den Hintergrund gedrängt. Die Titel auf „Ritual“ sind poppiger ausgefallen. Und zuversichtlicher. Ein kühl kalkulierter Schritt? Oder eine logische Weiterentwicklung? Wollte man sich den Vergleichen mit Joy Division entziehen – welche aus meiner Sicht schon beim ersten Album nicht wirklich funktioniert haben? Erinnerungen an den Pop-Sound der 80er Jahre sind hingegen unausweichlich.

Geblieben ist natürlich die angenehme Stimme von Harry McVeigh, der melancholisch über Ruhm, Friede, Sex, Religion, Leidenschaft, Herz und Seele singt. Die wenigen Ausflüge in höhere Stimmlagen irritieren – zumindest mich – hingegen leicht, wobei es durchaus zur musikalischen Annäherungen an den Synthie-Pop passt.

„Ritual“ klingt nach großer Bühne, großen Emotionen, vollen Stadien und mitsingenden Fans. Doch vor dem geisteigen Auge zeichnet sich ebenso eine menschenleere Landstraße ab, auf welcher man einsam, sehnsüchtig und mit seinen Gedanken allein einem immer näher kommenden und nahezu greifbaren Ziel entgegenrast.

Die Wahl des Albumtitels erklärt Bassist und Songwriter Charles Cave so: „Viele der Songs haben mit den unterschiedlichsten Ritualen zu tun, mit allen möglichen Dingen, die wir Menschen immer wieder tun, auch wenn sie nicht unbedingt gut für uns sind.“ So wird das Konzept von Liebe in Frage gestellt bzw. als benötigtes Ritual beschrieben, welches dem Leben mehr Bedeutung beimessen soll. Ebenso werden beispielsweise Rituale beschrieben, „die mit einer rein sexuellen und ansonsten vollkommen leidenschaftslosen Beziehung einhergehen“. Auf der zurückliegender Tournee hat das Londoner Trio viele neue Klänge und Künstler für sich entdeckt. Charles Cave macht kein Geheimnis aus den Inspirationsquellen. So hörte sich die Band „Fragile“ von „Nine Inch Nails“ diverse Male an. Aber auch komplett Gegensätzliches wie die schwedische Metalband „Opeth“ oder der DJ und Techno-Produzent Richie Hawtin (Plastikman, F.U.S.E.) haben die drei Briten laut eigener Aussage in ihrer Arbeit beeinflusst. Doch sollte man sich davon nicht in die Irre leiden lassen, hört man diese Eindrücke doch höchstens in Nuancen und Ansätzen heraus. Die Titel auf „Ritual“ klingen weiterhin nach „White Lies“. Man positioniert sich irgendwo zwischen den „Editors“ (die ja auch der elektronischen Klangerzeugung kokettiert haben) und „Hurts“. Doch zuweilen lässt das Album eine gewisse Kantigkeit, Leidenschaft und Unbefangenheit vermissen. Zu sehr scheinen die Stücke auf ein großes Publikum ausgelegt zu sein. Leicht alternativ rockend inklusive gelegentlichem Streichereinsatz mit einem leichten Ansatz von Schwermut, Pathos, Eingängigkeit und einem guten Gespür für Hymnen. Letztendlich keine schlechte Mischung. Doch einen Song wie „To Lose My Life“, welcher wiederholt zum intensiven und süchtigmachenden Hören verführt, suche ich auf diesem Album leider vergebens. „Ritual“ – ein sehr gutes Stück Untermalungs- und Hintergrundmusik. Nicht weniger aber wohl auch nicht mehr.

www.whitelies.com
www.myspace.com/white

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