Wisborg – The Tragedy of Seconds Gone

Düster, eingängig, kraftvoll: Das Debüt der zwei Hannoveraner ist bereits bei seinem Erscheinen im Frühjahr letzten Jahres ausgiebig gelobt worden. Wer bisher keine Gelegenheit hatte, in die Musik der Newcomer hineinzuhören, sollte das in diesen nasskalten, grauen Tagen nachholen. Denn was würde besser zum Winter passen als E-Piano-Klänge in Moll, langsame Gitarrenriffs und knarzende Elektronik?

„The Tragedy of Seconds Gone“ ist ein Album fast wie aus vergangenen Zeiten: Mit „Wisborg“ werden Erinnerungen an den Dark-Wave und Gothic-Rock der späten 80er und frühen 90er Jahre wach. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, die beiden hübschen Jungs stammen direkt aus einem Gothic-Casting. Lange Haare, traurige Augen, melancholische Blicke und jede Menge Ausstrahlung. Mehr braucht es nicht, um auf Anhieb Teenieschwarm zu sein. Dazu singen sie über unerfüllte Liebe, Verlust und Trauer. Auch der Bandname ist klug gewählt: Wisborg heißt die Stadt, in der der Vampir Nosferatu im gleichnamigen Stummfilmklassiker wütet. Dazu gibt es auf dem gelungenen Cover die passende Optik.

Die insgesamt neun Nummern umfassende Scheibe geht gleich zu Beginn mit „Seconds Gone“ in die Vollen: Schnelle Rhythmik und jaulende Gitarrenriffs treffen den Nerv des Gothic-Rock. Hier merkt man, dass Sänger Konstantin zuvor dem Metal zugewandt war. Aber das stört keineswegs, gibt es dem Rock doch die passende Kraft. Beim Gesang wird das Tempo hingegen heruntergeschraubt. Kontantin Michaelys Stimme ist prägnant, wenngleich ab und zu vielleicht ein wenig zu künstlich traurig. Seine eindrucksvolle Darbietung lässt stellenweise Vergleiche mit „Depeche Mode“, „Dreadful Shadows“ oder „Deine Lakaien“ zu. Es dauert beim ersten Hören einige Sekunden, eben „Seconds Gone“, bis man sich an die Stimme gewöhnt hat. Dann jedoch verbindet sie sich sehr harmonisch mit den Instrumenten. Deutlich ruhiger, ja, sphärischer, wird es im folgenden „In the Haze of a Drunken Hour“, während „Becoming Caligari“ deutlich treibender und tanzbar daherkommt. Natürlich darf dabei die entsprechend düstere Dramatik nicht fehlen. „The Sick Rose“ wartet mit einem knarzenden Elektroteppich auf, der direkt aus den 80ern zu kommen scheint. Dazu passt der leichte nun vorhandene Hall des Gesangs. Interessant ist innerhalb des Stücks der Dreh hin zum Gothic-Rock. „Desire“ nimmt anschließend das Tempo zurück und ergeht sich ganz in Melancholie. Das folgende „Venus in Chains“ ist eine verspielte Mischung aus 80er-Elektro und düsterem Rock, garniert mit der weiblichen Stimme von Kiara Kazumi, der Sängerin von „Grausame Töchter.“ Auch „Temptation & Hesitation“ ist, passend zum Titel, experimenteller als einige andere, behält aber die tragische Note bei, während „Winter Falls“ deutlich ruhiger, aber zum Ende hin schwelgerisch mit Harmonien spielt. Das Gesamtkunstwerk endet getragen mit dem vom instrumentalen und E-Piano dominierten „Awakening Spring“.

Wie kaum einer anderen Band gelingt es „Wisborg“ bereits mit ihrem Debüt, durch Know-How und Qualität zu überzeugen. „The Tragedy of Seconds Gone“ besticht durch Optik, Inhalt, Melodie. Dazu kommt hörbare Spiel- und Experimentierfreude. Abschließend stellt man sich nur noch die Frage, wann neues Material erscheint…

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